Es gibt Künstler, die beeindrucken mit aufwendigem Bühnenbild, ausgefallenen Lichtshows, verspielten Outfits und perfekten Choreografien. Und dann gibt es Paul. Dem ist das alles viel zu anstrengend und überhaupt… Nö! Braucht er auch gar nicht: Seine Stimme rettet seinen Arsch, was der Eindruck vermittelt. „Sag mal, wie viel trinkst und rauchst du, um so eine Stimme zu bekommen?“ Fragen wie diese lächelt er müde angeheitert weg und singt kurz darauf die Antwort:
“Ein Glas Wein und Zigaretten können jeden Abend retten.” (aus: Kein Tag) Dabei hat der Mannheimer mit seinen 24 Jahren noch gar nicht so viele Abende erlebt wie seine Songtexte vielleicht glauben lassen.
“Weil ich dich fast so gut kenn wie du mich
nach so vielen Nächten und Tagen.
Wir wissen ganz genau was fehlt.
Aber weil keiner aufsteht und geht,
bleiben wir unzufrieden liegen
und hoffen darauf
uns selbst zu besiegen
um uns irgendwann wieder zu lieben.” (aus: Bandstillstand)
Seine Tiefe verschafft Höhenflüge. “Nur wenn ich traurig bin kann ich auch glücklich sein.” Das wird vor allem in seinen Konzerten deutlich. In den kurzen Passagen zwischen den Songs blitzt Pauls trockener, beinahe zynischer Humor auf, der einen bewusst starken Kontrast zur musikalisch präsenten Melancholie schafft.
Es gibt drei Männer, die Paul in Kindertagen geprägt haben: Der eine Opa, der andere Opa und deshalb auch Eugen Roth. “Der eine hat mir schon früh Eugen Roths Gedichte näher gebracht, der andere ist ein gottgleicher Pianist, wobei auch der Rest der Familie sehr musik- und wortaffin ist.” Im Grundschulalter schreibt Paul seine ersten Gedichte, manchmal auch als Strafarbeit. “Da konnte ich meine Lehrer auf die Schippe nehmen, aber so verpackt, dass sie mir deshalb nichts konnten.” Im selben Alter fängt er an Klavier zu spielen, das war ihm aber (natürlich!) zu anstrengend – Gedichte schreiben hat mehr Spaß gemacht. Und so widmet sich Paul erst mit 15 wieder der Musik und bringt sich das Gitarrenspiel bei. Seine ersten wirklichen Songs schreibt er mit 20, der dritte wird 2016 direkt ausgezeichnet: 1. Platz SONGS – Contest der Popakademie Baden-Württemberg. Bei allem was er tut zeigt er Effizienz: Songs sind schnell geschrieben, die Muse gut genutzt. Das Pareto-Prinzip ist sein Freund.
Im Januar 2020 löste sich das Duo Flourishless auf. Mit diesem Projekt erspielte Paul sich über sieben Jahre, mit mehr als 150 Konzerten, bereits einen Namen – auch weit über die Rhein-Neckar Region aus.
Wenn man Paul nach seinen aktuellen Einflüssen und musikalische Vorbildern fragt, fallen große Namen wie Leonard Cohen, Bob Dylan, Hannes Wader, Reinhardt May oder Sven Regner. „Dylan sagte mal, dass jede Zeile Text auch für sich alleine stehen kann. Wenn man das schafft, wird der Song gut. Wader und May bekräftigen mich darin, dass man auch mit gehobener Sprache viele Menschen begeistern kann. Und im Bereich der Akustikgitarre gibt es für mich aktuell niemand besseren als Ben Howard – ein grandioser Songwriter mit grandiosem Gitarrenspiel.“
In diesem Jahr veröffentlicht Paul seine Debut-EP als Solokünstler. Das Konzept hinter der EP ist eine, in der Basis, analoge Produktion mit Streichern als Stilelement. Diese verdeutlicht einmal mehr, dass Pauls Songs sowohl groß als auch klein arrangiert ihre Wirkung entfalten.
„Und du willst Zweisamkeit, doch ich bin zweifelsfrei
Einsamkeit in Person, kein Vergleich:
Du bist immer gut drauf, selten schlechte Gedanken
Mich bringt alles ins Wanken und ich geh darin auf!
Du bist gut im gemeinsam sein. Und ich? Ich war immer gut allein!“ (aus: Immer schon allein)
Saskia Rienth im Gespräch mit Paul Gerlinger
Februar 2020
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